Dialog statt Spaltung.
Interview mit dem
Kommunikationscoach und Autor
Patrick Nini

VON Axel Maluschka
18. Dezember 2020

Ein Mann hat die Chance, ins österreichische Parlament zu kommen. 

Davon träumen die meisten Politiker.

Doch dieser Mann ist anders. Er stellt fest, dass er als Berufspolitiker lügen müsste. Dass er seinen Überzeugungen nicht zu 100% folgen könnte. Dass er seiner Vorstellung von Dialog, Kommunikation und Aufrichtigkeit nicht folgen könnte.

Er entscheidet sich gegen die politische Karriere. Stattdessen schreibt er ein Buch über verantwortungsbewusste Kommunikation. Der Titel: "Dialog statt Spaltung! Verantwortungsbewusst kommunizieren und Brücken bauen in unserer Gesellschaft."

Ich durfte diesen Mann interviewen. Patrick Nini erzählt uns, wie er zu seinem Buch kam. Wie er zu seiner schwierigen Entscheidung gelangte und warum ehrlicher Dialog wichtig ist.  

Heute erfährst du:

  • Warum Patrick seine vielversprechende Karriere als Politiker aufgegeben hat.
  • Was die Botschaft seines Buchs "Dialog statt Spaltung!" ist.
  • Wie Unternehmen verantwortungsbewusst kommunizieren können. 
  • Was ehrlicher Dialog dir persönlich bringen kann.
  • Was du tun kannst, wenn kein Dialog mehr möglich ist. Und
  • Wann Spaltung sinnvoll ist. 

Viel Spaß beim Hören!

Shownotes


Alle Folgen von „Konflikt-Power aufs Ohr“ findest du hier.


Transkript

Grüß dich! Du hörst die Folge 32 vom Podcast „Konflikt-Power aufs Ohr". Sie trägt den Titel „Dialog statt Spaltung. Interview mit dem Kommunikationscoach und Autor Patrick Nini." Mein Name ist Axel Maluschka.

Du erfährst hier ganz nebenbei, warum mein heutiger Interviewgast Patrick eine vielversprechende politische Karriere aufgegeben hat. Er konnte nämlich da seinen Überzeugungen, was ehrliche Kommunikation anbetrifft, nicht folgen. 

Du erfährst außerdem, was es heißt, in Dialog zu treten, anstatt zu spalten. Welche Vorteile das Ganze bietet. Und du erfährst nicht zuletzt auch, wann manchmal die Spaltung doch sinnvoll ist.

Ich wünsche dir viel Spaß mit der heutigen Folge. Und zunächst hören wir einmal Musik.

Axel: Ja, hallo! Grüß dich, Patrick.

Patrick: Hallo Axel! Ich freue mich sehr, dass ich dabei bin.

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Axel:
Gerne, gerne. Patrick, allererste Frage natürlich wie immer: Kannst du dich mal kurz den Hörerinnen und Hörern vorstellen, die dich noch nicht kennen?

Patrick: Mein Name ist Patrick Nini. Ich bin ein Österreicher. Vielleicht hört man das aus dem Akzent raus. Wahrscheinlich habt ihr's schon gehört. 

Ich lebe in Düsseldorf und im schönen Oberösterreich. Und ich beschäftige mich intensiv mit dem Thema Dialog, gesellschaftlicher Dialog. 

Ich habe selber politisch kandidiert und gemerkt, es ist etwas schwierig, wirklich in einen ehrlichen Dialog zu treten. Also wirklich ohne böse Intentionen dahinter oder immer nur auf den eigenen Vorteil gedacht. 

Ich glaube, wenn man wirklich einen ehrlichen, fairen Dialog hat, kann man generell in der Gesellschaft und auch innerhalb von einem Unternehmen beispielsweise viel mehr bewegen, als wenn man nur auf seinem eigenen Silo achtet oder im Silo-Denken die Sichtweise hat.

Axel: Ah, okay. Bist du denn jetzt noch politisch aktiv, also übst du dort mit deinen Ansichten und Methoden und Überzeugungen, oder bist du aus der Politik raus?

Dialog in der Politik

Patrick: Ich musste tatsächlich feststellen, während ich das Buch „Dialog statt Spaltung" geschrieben habe, wie ehrlicher Dialog aussehen könnte, dass ehrlicher Dialog eigentlich in der Politik gar nicht möglich ist. Weil, prinzipiell ist immer das, was die andere Partei macht, schlecht.

Axel: Okay, also ist es im Grunde genommen so, wie man es sich vorstellt, als politisch Unbedarfter in dem Sinne, dass man selber nicht aktiv war in der Politik. Es wird lediglich geschauspielert, und die Politiker sind nicht unbedingt der Wahrheit verpflichtet.

Patrick: Man dreht, wie man es an sich braucht. Ich sag mal so: als kleiner Parteisoldat eine politische Karriere zu machen, ohne dass man dort oder da mal lügen muss oder etwas verdrehen muss, ist unmöglich.

Axel: Ah, okay, okay. 

Und das heißt, während du dein Buch geschrieben hast, auf das ich gleich noch zurückkommen möchte, bist du wegen der Erkenntnisse und wegen deinem Ansinnen, ehrlichen Dialog zu gestalten und zu leben, aus der Politik raus? Habe ich das jetzt richtig verstanden?

Patrick: Bei mir war es tatsächlich so. Ich bekam die Gelegenheit, als Nationalratskandidat - also das entspricht dem Deutschen Bundestag in Österreich - zu kandidieren.

Axel: Okay.

Patrick: Hab diese Chance genutzt. Ich denke: „Ja, Kommunikation kann ich." 

Und hab mich entsprechend aufgestellt. Habe mir das Parteiprogramm durchgelesen und gesagt: „Oh, 90% klingen auf jeden Fall sehr plausibel und gut, das gefällt mir. Was mir bei den Themen Umwelt und Bildung sehr wichtig ist." 

Man sieht ja auch heute, am Bildungssystem kann man durchaus noch einiges verbessern. Es ist etwas verstaubt, ganz egal wo man hinschaut. 

Und ja, was das Thema Klima betrifft, haben wir auch noch einiges zu tun. Das heißt, das waren so meine politischen Standpunkte oder meine Ziele. 

Und ich habe mir dann die Frage gestellt - als Kommunikationscoach - Wie kann ich denn das Ganze verbinden? Wie muss ich mich denn da positionieren? 

Ich kann eigentlich nicht eine politische Seite aus Österreich machen und Kunden gewinnen aus Deutschland auf ein und derselben Seite. Außerdem vergraule ich ja Menschen, die eine andere Ideologie haben oder prinzipiell etwas anderes wählen. 

Und da entstand dieser Begriff des verantwortungsbewussten Kommunizierens. 

Das war im Mai 2019. 

Wie geht verantwortungsbewusstes Kommunizieren?

Axel: Ja. Das ist gar nicht so lange her.

Patrick: Genau. 

Ich hatte diese Brille auf „Verantwortungsbewusstes Kommunizieren". 

Und dann habe ich die Gesellschaft beobachtet mit dieser Brille. Ich habe so viel Material gesammelt. Und innerhalb von drei Monaten musste ich sagen: „Wow, ich muss ein Buch schreiben." Ich hatte wirklich innerhalb von drei Monaten den kompletten Inhalt vom Buch benannt. 

Das war natürlich alles unstrukturiert, aber es war ein Rucksack voller Informationen und Daten, nur gewonnen mit dieser Brille „Verantwortungsbewusstes Kommunizieren". 

Da hab ich mich während des Schreibens viel intensiver damit auseinandergesetzt und hab festgestellt, wenn ich ganz ehrlich verantwortungsbewusst kommunizieren will im Sinne der Gesellschaft und im Sinne, das Beste zu wollen, dann kann ich nicht gute Ideen von der gegnerischen Seite schlecht machen. Das geht doch nicht!

Axel: Okay, du wolltest sozusagen das Spiel der Politik in dieser Form nicht mitspielen und hast dich dann stattdessen lieber aufs Business und auf deine Mission konzentriert, ehrliche Kommunikation voranzubringen?

Patrick: Genau. Genau. 

Ich glaube auch, dass ich im Hinblick auf Bildung und Umwelt mehr bewegen kann, indem ich Artikel und Interviews veröffentliche, als jemand anderes in der Parteihierarchie höher etwas nachzuplappern.

Wie und wo lebt Patrick?

Axel: Okay. Und jetzt erzähl mal bitte. Ich finde es sehr spannend, dass du in Düsseldorf und in Linz lebst. Pendels du hin und her? Oder wie stelle ich mir das vor?

Patrick: Ich sag mal so: Seit September bis jetzt ist es nebelig in Österreich. Außerdem sind da gerade die Ausgangssperren. Von dem her ist jetzt Düsseldorf sehr von Vorteil. Ich habe aber in Österreich auch eine Wohnung in der Nähe vom See, wo ich aufgewachsen bin. Und da verbringe ich auch so gerne, wie es geht, Zeit. Weil es einfach das Zuhause für mich in Österreich ist. Es ist die pure Kraftquelle. 

Das heißt, im Jahr bin ich Monate, zumindest immer mehrere Wochen, sowohl in Österreich als auch in Deutschland.

Axel: Ja, okay. Wer sind deine Kunden oder wer ruft dich wann an? Mit welchem Anliegen?

Patrick: An sich komm ich aus der Ecke „Präsentationtrainings". Also ich hab wirklich Leuten beigebracht, wie man auf einer Bühne präsentiert, wie man Inhalte strukturiert und wie man sich bewegt.

Axel: Ich habe noch ein Youtube-Video von dir dazu gefunden. Das verlinke ich dann gerne auch.

Können Unternehmen verantwortungsbewusst kommunizieren?

Patrick: Das hat sich tatsächlich geändert. 

Zum einen hab ich mich fürs Buchprojekt etwas zurückgezogen aus der ganzen Geschichte. Ich mag es ja auch gleichzeitig als Person. Ich habe mit dem Begriff „Verantwortungsbewusst kommunizieren" vorher wenig gehabt. 

Es kam halt in der Kombination aus dem Kommunikationstraining aus der Vortragsecke und dann zusammen mit der politischen Erfahrung, die ich gemacht habe. So ist es jetzt komplett neu entstanden das Thema „Dialog" und alles, was da damit zu tun hat. Dieses gesellschaftliche. 

Und ich bin gerade im Moment dabei, zu schauen: 

  • Wo kann denn Dialog in Unternehmen entstehen? 
  • Wo kann man auch ordentlich reden? 
  • Wo ist es nötig? 
  • Wo tritt Spaltung auf? 
  • In der Sache Stakeholder versus Unternehmen? 
  • In der Sache Kunde versus Unternehmen? 
  • Und wie kann man ehrlichen Dialog von innen nach außen machen? 

Also z.B. Greenwashing ist alles andere wie ehrlicher Dialog.

Axel: Ja, hab ich auch schon mal von gelesen. Okay. 

Und jetzt hast du ja schon mehrmals dein Buch angesprochen. „Dialog statt Spaltung" heißt das. Richtig?

Patrick: Ja.

Kernbotschaft des Buchs "Dialog statt Spaltung"

Axel: Was würdest du sagen? Ganz kurz zusammengefasst: Was ist die Kernbotschaft deines Buches? 

Wir haben schon über die Entstehung einiges gehört. Was ich ja echt spannend finde, weil das nach einer Herzensmission klingt aufgrund deiner Erlebnisse und Erfahrungen. Was ist die Kernbotschaft des Buches?

Patrick: Die Kernbotschaft des Buches behandelt das Thema: Wenn man zwei verschiedene Meinungen hat. 

Mal ganz extrem: 

  • Trump versus Biden. 
  • AFD versus die Linke. 

Und egal wo man steht, ich will das gar nicht werten, aber es sind halt auf einer Links-rechts-Achse politischen komplett unterschiedliche Sichtweisen. Und so wie es jetzt gerade passiert, ist es ein Tauziehen. Ein Tauziehen zwischen links und rechts. 

Trump tritt aus dem Pariser Klimaabkommen aus. Biden tritt wieder ein. Der nächste tritt vielleicht wieder aus. 

Es geht hin und her. Es geht nicht wirklich weiter. 

Österreich hatte mal so einen Fall. Das Rauchverbot in Lokalen wurde beschlossen. In der nächsten Regierung wurde es wieder zurückgenommen. Jetzt ist wieder beschlossen. Es ist auch ein ständiges Hin und Her, wo es schon längst gang und gäbe war. 

Und ehrlicher Dialog würde das Tauziehen aus meiner Sicht verhindern. 

Natürlich gibt es komplett verschiedene Ansichten in einer Gesellschaft. 

Und ehrlicher Dialog oder die Kommunikation miteinander gesteht aber auch ein: Ich kann es nicht allen recht machen. Es kann nicht nur das, was ich sehe, zu 100 Prozent umgesetzt werden, sondern ich muss auch schauen: Wie betrifft es andere? 

In Deutschland gibt's auch so ein Hin und Her. Oder es wird kommen. Tempolimit ja oder nein. Das ist auch ein Tauziehen.

Axel: Ja, wobei das bisher sehr stark in die eine Richtung ging und die realisiert ist. Aber ich nehme halt wahr, dass es so sich langsam in die andere Richtung entwickelt. 

Aber was ist so schlimm an dem Tauziehen?

Patrick: Weil es keinen Mittelweg gibt. 

Es ist einfach eine Sache zwischen zwei Extremen. 

Wenn ich Stereo-Lautsprecher habe und ich drehe mal nach links, dann kommt nur auf der andern Seite des Raums ein Ton raus. Und drehe ich nach rechts kommt auf der anderen Seite der Ton raus. Der Ton ist aber kein guter, sondern Stereo ist viel schöner. 

Das Tauziehen vernachlässigt gerade in dem Moment die Verlierer.

Axel: Ah, okay.

Patrick: In der Klimadebatte, wenn man austritt, vernachlässigt's die, die sich einsetzen und vernachlässigt's die Umwelt. 

In der Raucher-Debatte in Österreich vernachlässigt's die Menschen, die nicht rauchen, die dadurch in Gefahr sind oder schon etlichen Risiken ausgesetzt sind.

Axel: Okay, das heißt, wenn ich es richtig verstehe, geht es letztendlich um diese komplett verhärteten Fronten. Das beschreibst du mit dem Wort Tauziehen.

Patrick: Genau.

Axel: Das heißt, entweder ziehe ich in eine Richtung oder ich gehe unter. Sozusagen. Und bei dieser Konfrontation, die innerhalb der Gesellschaft auftritt, ist es dir ein Anliegen, dass die aufhört.

Patrick: Dass man einfach gerne miteinander redet. Dass man eine bessere Situation als die jetzige erarbeiten will oder erkennt, dass es nötig ist.

Was kann ich tun, wenn ich mich absolut im Recht fühle?

Axel: Aber was mache ich, wenn ich nun von meiner beispielsweise politischen Idee so überzeugt bin, dass ich davon nicht abweichen kann? Bin ich dann nicht dialogfähig? Oder was sollte ich tun?

Patrick: Prinzipiell kann man jetzt gar niemanden aufzwingen, dass er seine Meinung ändert. Da hat jeder das gute Recht dazu. 

Und es gibt ja auch zwei Dinge: Entweder ist das, was ich sehe, tief emotional verankert. Also wenn ich eine politische Meinung auf eingeimpft bekomme, seitdem ich ein kleines Kind bin, und das immer so lebe und nicht anders kenne und Feindbilder aufgebaut werden und sich das emotional verhärtet, dann bin ich ja gar nicht in der Lage, etwas anders sehen zu wollen.

Axel: Ja.

Patrick: Ich werbe einfach dafür: Ein Gespräch miteinander, macht immer mehr Sinn wie einfach nur die Ohren verschließen und sagen: „Nur ich liege richtig da." 

Was ist das für ein extremes Selbstbewusstsein? 

Man sagt ja, ich liege richtig und die anderen falsch. Das ist auch zu sich selber gar nicht ehrlich, weil man sich ja gar nicht irgendwo diesen Kommunikationskanal aufmachen traut für Feedback. Weil man vielleicht weiß: Okay, instinktiv liege ich vielleicht falsch, aber ich mache diesen Kanal gar nicht auf. Ich bekomme dieses Feedback gar nicht. 

Also wenn ich mit einem anderen rede und zuhöre, dann zeigt das auch ein bisschen vom Mut. Man kann ja daraus lernen. Wenn jemand sag: „Ich bin komplett in meiner Meinung gefestigt und ich liege richtig," dann ist das vielleicht auch eine Angst, dass man vielleicht doch falsch liegen könnte.

Welche Chancen der Dialog bietet

Axel: Ja, okay. 

Und kann es vielleicht auch sein, wenn ich, sagen wir mal, mich dem Dialog verschließe und der Meinung bin - darauf beharre -, dass ich richtig liege, dass ich recht habe, dass ich dann letztendlich mir auch die Chance zur Entwicklung nehme? Also zur Selbstentwicklung?

Patrick: Hundertprozentig. Definitiv. Natürlich. 

Wenn man beispielsweise eine Meinung hat, dann beruht die auf gewissen Fakten und so weiter. Und so eine Meinungsbildung ist irrsinnig komplex. Es gibt da tausend Fakten und Sichtweisen und weiß der Kuckuck was. 

Und wenn ich mir eine Meinung auf nur fünf Fakten von Tausend baue, dann fehlt da ja etwas. 

Oder noch schlimmer: wenn sich die Fakten in der Zwischenzeit verändern. Ich hab die Meinung noch vor zwei Jahren, dann hab ich eine alte Meinung, die sowas von falsch ist, weil sich die Welt verändert hat.

Axel: Da würden mir im politischen Spektrum auch sofort einige einfallen. Aber da will ich gar nicht drauf rumreiten. Weil ich glaube, das ist auf Dauer langweilig. 

Okay, und was passiert, wenn wir in Dialog treten? Wenn uns das gelingt? Was passiert dann? 

Du sagst ja, dein Anliegen ist es, in der Gesellschaft etwas zu bewegen. Wobei ich nicht genau weiß, ob dem so ist. Oder ob du einfach nur etwas bewusst machen willst. 

Aber ich verstehe, dass du zumindest gesellschaftlich Anstöße geben willst. Was kann denn gesellschaftlich im besten Fall passieren, wenn es gelingt, in Dialog zu treten?

Patrick: Ich will es mal anders formulieren: Was passiert, wenn man es nicht macht? 

Die Folge von keinem Dialog ist ja die Spaltung. Und im weitesten Sinne folgt daraus Hass und Gewalt. Also wenn man es jetzt ganz auf die Extreme treibt. 

Wenn es in der Klimadebatte keinen Dialog gibt und niemand etwas verändert und es so bleibt, wie es ist, dann haben wir irgendwann Klimaflüchtlinge. Dann kommen wieder die Botschaften, die man kennt. Dann werden Grenzen geschlossen und Flüchtlinge kommen. 

Und dann entsteht Hass. Dann entsteht Gewalt. 

Und der Dialog wirkt da dagegen. Der Dialog ist sozusagen die Grundlage einer Debatte. 

Das Grundprinzip eines Parlaments ist eigentlich, miteinander zu reden und dann das Beste abzuwägen.

Axel: Okay.

Patrick: Und in persönlichen Beziehungen gilt beispielsweise: Es muss ja nicht immer eine Diskussion sein, wo ein Gewinner gekürt wird. Man kann ja auch gerne mal dem anderen zuhören wollen. 

Es muss am Ende gar keinen Gewinner geben. Und im Endeffekt befruchtet und bereichert aus meiner Sicht eine Dialogbereitschaft jeden Einzelnen.

Dialog für Unternehmen - Bringt das was?

Axel: Okay, also du hast ja gerade schon gesagt, auch auf der Beziehungsebene, wenn es jetzt um wenige Menschen geht, bereichert der Dialog jeden Einzelnen. 

Wenn wir jetzt nochmal sozusagen die Zwischenebene nehmen zwischen den Beziehungen und den Gesellschaften, wenn wir mal auf Organisationen und Unternehmen schauen. Du hast ja ganz am Anfang schon mal angesprochen, wie es Unternehmen bereichert, wenn sie auf Dialog statt auf Spaltung setzen?

Patrick: Ein Unternehmen ist eine abgeschlossene Organisation. Und am Ende hat ein Unternehmen eine Bilanz und macht Gewinn oder Verlust. 

Und darunter gibt es einzelne Abteilungen, die auch Gewinn oder Verlust machen. 

Und dann kann es beispielsweise passieren, dass eine Abteilung etwas verändern muss. Das kann von oben verlangt werden. Nun hat diese Abteilung weniger Ressourcen. Und die Abteilung sagt: „Wir wollen gleich viele Ressourcen wie vorher, obwohl das von oben kommt." 

Das ist dann z.B. keine Dialogbereitschaft. 

Ich weiß jetzt nicht, ob das Beispiel zu konkret oder zu abstrakt ist. Aber letztlich geht es mir darum: Wenn zwei Abteilungen gegeneinander arbeiten, dann bringt es dem ganzen Unternehmen nix.

Axel: Das ist das, was man im Unternehmen Silodenken nennt.

Patrick: Genau. Ich bleibe in meiner abgeschlossenen Abteilung, denke nur daran und auch nur an die Budgets innerhalb der Abteilung.

Axel: Okay. Ja, und da wäre es dann besser, wenn die Abteilungen miteinander reden. Als Beispiel.

Patrick: Ja, und auch die Bereitschaft haben, miteinander zu rede. Und dann sollten sie sagen: „Okay, da sind jetzt weniger Ressourcen vorhanden. Na klar, kann ich nicht so viel verlangen wie vorher."

Axel: Ja, ok.

Patrick: Ein Beispiel ist: Vertrieb versus Produktentwicklung. Das ist immer so eine Sache.

Der Vertrieb verkauft etwas, was noch gar nicht realisierbar ist. Das ist dann auch kein Dialog. Und ja, da geht es dann auch wieder um die Ehrlichkeit. 

Aus meiner Sicht ist es dann wichtig, wirklich ehrlich wertschätzend miteinander ins Reden zu kommen. Denn die Produktentwicklung kann ja Verständnis für Vertrieb zeigen. Der will im Endeffekt mehr verkaufen. Und die Entwicklung kann das nicht liefern. Der Vertrieb hat dem Kunden etwas versprochen, was es noch gar nicht gibt. Da ist eine offene Gesprächsbereitschaft schon sehr hilfreich.

Axel: Ja. Okay. 

Ein anderes Beispiel fällt mir jetzt auch noch ein, weil du es am Anfang erwähnt hast. Der Konflikt zwischen Unternehmen und Shareholdern. Wenn du an das deutsche Unternehmen Wirecard denkst, da hat sicherlich auch keine ehrliche Kommunikation stattgefunden. Und wohin das führen kann, das haben wir gesehen. Das kann bis zum Untersuchungsausschuss führen, hier in Deutschland.

Patrick: In Österreich hat man ein ähnliches Beispiel. 

Das war die die Commerzialbank im Burgenland. Die haben seit 15 Jahren Bilanzen gefälscht. Das ist wahrscheinlich in der Finanzkrise 2008 losgegangen, weil sie damals nicht mehr liefern konnten. Also die regulatorischen Anforderungen waren viel zu hoch. Mal klein angefangen und dann konnten sie aber den Hals aus dieser Schlinge nicht mehr ziehen.

Oder sie hätten gekonnt und das war schon verbockt. Sie haben nicht sagen können: „Wir müssen etwas ändern." Oder: „Das ist zu streng." Oder etwas ähnliches. Stattdessen haben sie es einfach unter den Tisch gekehrt. Und diese Belastungen ergaben dann einen Teufelskreislauf. Denn das eine musste man verbergen, damit das andere nicht sichtbar wird und so weiter. 

Und wie die Prüfer das entdeckt haben, ist die Bank von heut auf morgen pleite gegangen. Weil da halt ein Milliarden-Schaden entstanden ist. Nur durch fehlende Kommunikation!

Axel: Okay. Bei deutschen Unternehmen fällt mir natürlich auch noch die Diesel-Affäre ein bei VW. Da war das sehr ähnlich, nur mit einem technischen Produkt.

Patrick: Ja, da hätte man auch sagen können: „Wir können das nicht liefern." Oder man hätte dem Kunden ehrlich sagen können, das Auto muss jetzt teurer werden, weil so geht das nicht.

Axel: Das hatte VW ja so dargestellt, dass sie die Anforderungen vonseiten der EU, vonseiten der Politik, natürlich hätten realisieren können. Aber dann wäre das Auto teurer geworden. Und das wollten sie dem Kunden nicht zumuten. Soweit die Begründung.

Patrick: Und jetzt ist der Schaden viel größer wie vorher.

Axel: Wahrscheinlich. Auf der anderen Seite ist VW immer noch einer der Autokonzerne, die weltweit richtig viel verkaufen und Umsatz machen. 

Ich frage mich halt immer, wieso das denen nicht noch mehr geschadet hat. Das verstehe ich nicht, aber da bin ich wahrscheinlich zu wenig Experte.

Was ehrlicher Dialog dir persönlich bringen kann

Patrick: Aber das, was man im Großen sieht, findet auch im Kleinen statt. 

Wenn ich jetzt in einer Beziehung bin mit jemand anderen, egal ob es eine Freundschaftsbeziehung oder eine Paarbeziehung ist. Wenn ich etwas weiß und ich hab da schon ein schlechtes Gewissen, weil ich etwas gemacht habe, was der andere nicht gutheißt, und ich merke das in mir drinnen, dann ist das eine Belastung für die Beziehung. 

Wenn ich das jedoch ausspreche und sage: „Hey, so ist der Fall. Ich denke so drüber..." Oder: „Das ist passiert..." Dann kann es immer noch sein, dass der andere sagt: „Danke, dass du es mir sagst. Ich schätze deine Ehrlichkeit. Es ist alles gut." 

So eine Dialogbereitschaft kann einen auch extrem nach vorwärts bringen oder etwas extrem bereichern.

Axel: Okay, und jetzt hast du schon gerade ein Beispiel aus dem Privatleben angesprochen.

Hast du denn vielleicht irgendwelche Tipps oder Tools? Methoden? Wie kann es mir gelingen, dass ich eben ehrlich bin? 

Also z.B. ich habe was getan, was mein Partner, meine Frau nicht mag. Muss ja nicht gleich was ganz Schlimmes sein. Es kann ja auch etwas eher so Mittleres oder Kleines sein. Und ich traue mich nicht, das zu sagen. 

Wie kann ich mich überwinden, ehrlich zu kommunizieren?

Patrick: Nun, es kommt immer darauf an, wie sehr schon das Fass übergelaufen ist. 

Ich glaube nicht, dass es da so eine Pauschalregel gibt. 

Wenn jemand z.B. fremdgegangen ist. Dann sind da so viele Parameter drin: 

  • Wie war die Beziehung vorher? 
  • War das Leichtsinn, war Alkohol und etwas anderes im Spiel? 
  • Hat man gar einen Freibrief bekommen? 
  • Oder hat gedacht, man hätte einen?

Ja. Das ist schwierig. 

Weil wenn ich z.B. so etwas nicht ausspreche, bin ich womöglich 20 Jahre unglücklich. 

Ein Dialog und zu etwas zu stehen kann auch extrem befreien, wenn sowas mal ausgesprochen ist. So ein schlechtes Gewissen. Da kann ja extrem auch eine Last vom Rücken fallen und das Ganze wieder erleichtern. 

Und es braucht dann auch viel Mut, letztlich einen Neuanfang. Und das bedeutet dann Veränderung. 

Mein großer Tipp ist: Es prinzipiell erst gar nicht soweit kommen zu lassen.

Axel: Ja, okay. Wobei ich das Thema sexuelle Treue in der Beziehung als eher wichtiges Thema in einer Beziehung ansiedeln ansiedeln würde. Für die meisten Menschen hat es einen hohen Stellenwert.

Patrick: Genau da hat ja auch schon sehr lange vorher der Dialog gefehlt, weil wenn's zum Fremdgehen kommt, dann ist ja vorher irgendwas schiefgegangen. 

Das heißt, daran sieht man's ja. Umso mehr ist es wichtiger, Dinge, die nicht so laufen, vorher anzusprechen und versuchen eine Lösung zu finden. 

„Lieber Partner, mir fehlt dies und jenes. Möchtest du nicht mal drüber nachdenken?"

Axel: „Was machen wir damit?"

Patrick: Genau!

Axel: Okay. 

Und du hast gerade schon gesagt, wenn ich ehrlich kommuniziere, wenn ich den Mut aufbringe, das zu tun, kann ein Ergebnis sein, dass ich mich befreit fühle. 

Gibt's da noch mehr, was ich davon haben kann? Der Benefit für mich, wenn ich ehrlich kommuniziere? Was hab ich davon?

Patrick: Das eine ist die Befreiung, wenn wirklich was Schlimmes passiert ist. Das andere ist aber auch, dass man wachsen kann. Also es geht z.B. um den ehrlichen Dialog mit sich selber.

Axel: Ja.

Patrick: Man kann sich selber ein Leben lang anlügen und sagen: „Ja, so ist es." 

Und man gibt irgendetwas gar nicht zu oder man macht diesen wunden Punkt auf und lernt draus. Also man kann sagen: „Ich schau das gar nicht an. Es ist eh alles gut." 

Oder: „Okay, so gut ist es vielleicht doch nicht. Was muss ich denn tun, dass es besser wird?" Dieses ehrliche Gespräch mit sich selber. 

Das andere ist: Die Beziehungen können stärker und wertvoller werden. Als wie wenn ich Dinge nicht ausspreche, wenn es beispielsweise nur beim Smalltalk bleibt, bei belanglosem Zeug. Dann passiert in der Beziehung nichts. 

Und auch durch diesen Dialog, durch dieses Reden miteinander, lernt man eine andere Person viel besser kennen. 

Also: persönliche Entwicklung und Entwicklung der Beziehungen. Man rückt enger und näher zusammen, lernt sich kennen, öffnet sich, befreit sich.

Man lernt auch im Gespräch dazu. Man kann eigene Meinungen auf den Prüfstand stellen und man lernt. Sieht Dinge, die man vorher vielleicht nicht so gesehen hat. 

Das durchaus Fruchtbare am Dialog an sich ist, dass ich niemanden umstimmen muss, sondern dass ich einfach bereit bin zuzuhören. Das bedeutet für mich Dialog. 

Das andere ist eine Diskussion. Da gibt's nur Verlierer.

Axel: Okay, okay. 

Patrick abschließend: Hast du vielleicht noch ein Beispiel aus deinem Leben? 

Du hast ja angefangen mit deinem Leben und dass du eine politische Karriere vor dir hattest. Hast du noch ein Beispiel, wo es dir eine schwierigen Situation gelungen ist, in Dialog zu treten? Vielleicht auch mit einem kleinen Ergebnis entweder positiver oder negativer.

Wenn kein Dialog mehr möglich ist

Patrick: Ich habe tatsächlich über diese Frage vorab nachgedacht. Und ich habe sie folgendermaßen verstanden: Es ist quasi zur Spaltung gekommen und dann hat es ein Schritt gegeben, wodurch wieder ein Dialog entstanden ist oder ein Miteinander. 

So ein Beispiel habe ich tatsächlich beim Nachdenken nicht wirklich gefunden. 

Es gibt Beispiele, wo jedoch die Spaltung dauerhaft bleibt. Zum Beispiel bei der Gründung einer Beziehung oder der Trennung eines Arbeitgebers. 

Und wenn es halt gut läuft, dann kommt es ja gar nicht bis zur Spaltung. Wenn es wirklich gut läuft, dann entstehen diese Situationen gar nicht.

Axel: Aber es kann ja z.B. auch passieren, dass eine Liebesbeziehung endet und dann in eine Freundschaft mündet.

Patrick: Das gab's tatsächlich bei mir. Da muss ich aber auch sagen, da war dann nicht der Dialog das Allheilmittel, sondern auch die Zeit.

Axel: Wobei ich glaube, wenn die Beziehung total vergiftet war und man sich nur angiftet und beschimpft, dann ist die Chance, dass die Zeit eine Freundschaft draus baut, auch eher geringer. Ich glaube schon, dass es von beiden Beteiligten abhängt.

Patrick: Und bei extremer Spaltung, wenn z.B. ein Gerichtsprozess ansteht und nur einer will in Dialog treten, dann ist das dann aber eher der Verlierer. Denn der muss dann nachgeben, wenn es nur einseitig ist. 

In einer Mediation, in einem Friedensrichterverfahren, da müssen schon wirklich beide zu etwas bereit sein. 

Also es funktioniert nicht, wenn es nur einer will. Wenn einer nicht will, dann dann sind dem anderen da die Hände gebunden.

Axel: Ja ja, okay. 

Patrick, gibt's noch irgendeine Frage, die ich vergessen habe zu stellen, die du gerne noch gestellt haben möchtest?

Wann Spaltung sinnvoll ist

Patrick: Wir könnten noch ein bissel über Klima reden, wenn du magst. 

Ich hab ja auch mal gesagt, Greta Thunberg beispielsweise ist die, die spaltet mit diesem Begriff: „How dare you are!"

Axel: Ja, ja.

Patrick: Ich finde aber, sie darf das. Das ist ja ihr Ding. 

Greta Thunbergs Rolle ist nicht, Brücken zu bauen und den Dialog zu finden, sondern wachzurütteln.

Axel: Ja. Sie hat sozusagen nicht die Rolle der Dialogerin und mit den Menschen in Dialog zu treten, sondern, wie du schon gesagt, wachzurütteln. Und da darf sie dann auch zu so drastischen Mitteln greifen.

Patrick: Genau! Spaltung ist so gesehen per se nicht immer böse.

Axel: Okay. Also das heißt, es gibt dann doch Mittel, die den Zweck heiligen in einer gewissen Weise bzw. nicht unbedingt jeden Zweck. Aber man darf auch mal den Zweck Spaltung verwenden, wenn es dem Ziel dient, dass die Leute dann aufeinander zugehen. Wenn es dem Ganzen dienen.

Patrick: Genau. 

Es ist unrealistisch, dass wir heute oder morgen aus allen fossilen Energiestoffen aussteigen. 

Aber es muss halt gesagt werden: „Ey! Wir müssen was verändern." 

Es ist oft ein Feindbild, aber für mich beispielsweise hat sich extrem viel verändert. Also ich habe mein Verhalten verändert dadurch, dass sie wachgerüttelt hat. Das heißt, ich gehe mit meinem Verhalten sozusagen auf sie zu.

Axel: Ja, das sehe ich ähnlich. 

Und ich könnte jetzt auch über das Thema Klima noch ewig mit dir diskutieren, weil ich mal für Greenpeace eine ganze Zeit lang gearbeitet habe. 

Ich fürchte nur, dass das dann unsere Hörerinnen und Hörer nicht mehr ganz so interessiert, weil wir hier das Thema Konfliktkultur und Kommunikation haben. Von daher, lieber Patrick, Ich bedanke mich ganz, ganz herzlich bei dir für das Interview.

Patrick: Ich bedanke mich herzlich. Vielen lieben Dank!

Axel: Ja, ganz gerne. 

Und dann würde ich sagen: Bis demnächst mal! Vielleicht treffen wir uns bei der ein oder anderen Convention oder dem ein oder anderen Treffen, wenn es dann mal wieder so richtig live gestattet ist.

Patrick: Da freue ich mich auf jeden Fall drauf. Danke.

Axel: Alles klar. Dann schönen Abend noch. Mach's gut. Ciao.

Ja, das war das Interview mit Patrick. 

Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich hab echt Hochachtung vor ihm gewonnen. Das wusste ich noch gar nicht, dass er eine politische Karriere wegen seiner Überzeugung, was Kommunikation angeht, aufgegeben hat. Also das finde ich unfassbar beeindruckend und das spricht wirklich für einen sehr, sehr starken Charakter.

Du findest die Shownotes wie immer auf meiner Homepage mit den Links zu seinem Buch, zu seiner Homepage, zu seinem Video unter Maluschka.com/032 für die 32. Episode. 

Falls du diese Folge live hörst: Wir haben jetzt Dezember, kurz vor Weihnachten, im Jahr 2020. Dann wünsche ich dir und deinen Liebsten, dass du ein wundervolles Weihnachtsfest feiern kannst. Bin ja noch gespannt, ob wir das nun mit Familie oder nur im ganz kleinen Kreis begehen dürfen. 

Und ich wünsche dir außerdem, dass du gut ins Neue Jahr kommst. 

Wir hören und lesen und sehen uns im Jahr 2021 wieder. 

Mach's gut. Ciao und Tschüss!


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Bild: Malte Robra

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